WELCHE ROLLE SPIELT IHRE WERBEAGENTUR?
Aus meiner Sicht können Werbeagenturen zwischen vier verschiedenen Rollen wählen, die sie beim Kunden einnehmen. Dies sind
- die verlängerte Werkbank
- die Experten
- die externe Marketing-Abteilung
- die Berater
Die Unterschiede zwischen diesen vier Rollen liegen unter anderem
- in der Austauschbarkeit der Agentur
- der Nähe zum Entscheider
- dem Honorar
Lassen Sie mich die vier Rollen ein wenig klischeehaft beschreiben (ein ausführliches Whitepaper zum Thema wird etwas später erscheinen).
Die verlängerte Werkbank
Werkbank-Agenturen sind ausführendes Organ. Sie erhalten ihre Aufträge von den Mitarbeitern auf Kundenseite. Die Aufträge sind in der Regel fest umrissen und mit klaren Vorgaben versehen, wie und bis wann der Job umgesetzt werden soll.
Zahlreiche dieser Werbeagenturen haben gute Beziehungen zu den Mitarbeitern des Kunden, vor allem, weil die Agentur mehr als einmal Fehler der Mitarbeiter ausgebügelt hat.
Eine Nähe zu Entscheidern besteht kaum, da die meisten Projekte die Anwesenheit eines Geschäftsführers / Inhabers / Vorstandes nicht erfordern. (Mögliche Ausnahme: Pitch).
Austauschbarkeit der Agentur: nahe 100 %
Nähe zum Entscheider: 0 % bis gering
Honorar: meist gering, der Preis ist ein Entscheidungskriterium bei der Agenturwahl
Die Experten
Experten erhalten, ebenso wie die Werkbank-Agenturen, klar umrissene Vorgaben. Der Unterschied liegt im für das Projekt erforderlichen Expertenwissen. Ansprechpartner der Experten sind meist Experten, also Fach- und Führungskräfte auf Kundenseite.
Abhängig vom Thema ist der Kontakt zu Entscheidern ebenfalls vorwiegend auf den Pitch und eine Abschlusspräsentation begrenzt.
Aufgrund ihres Wissens entziehen sich Experten mit geschickter Positionierung dem reinen Preisvergleich.
- Austauschbarkeit der Agentur: je nach Spezialisierungsgrad zwischen 75 und 0 %
- Nähe zum Entscheider: nahe 0 % bis gering
- Honorar: abhängig vom Grad der Spezialisierung und dem Wertversprechen hoch bis sehr hoch
Die externe Marketing-Abteilung
Externe Marketing-Abteilungen resultieren größtenteils aus mehreren erfolgreich umgesetzten Projekten und dem daraus entstandenen Vertrauen. Abhängig von der Offenheit des Kunden kann es sich bei der externen Marketing-Abteilung um eine reine Werkbank oder um einen „Partner mit Gestaltungsspielraum“ handeln. Ansprechpartner der Agentur sind in der Regel Mitarbeiter und Führungskräfte.
Mit der Austauschbarkeit verhält es sich widersprüchlich. Einerseits sinkt das Risiko mit zunehmendem Wissen über das Kundenunternehmen (Stichwort: Bedürfnis nach Sicherheit). Andererseits steigt es mit jedem abgeschlossenen Auftrag, da mancher Kunde sich „neue Ideen und Impulse“ wünscht.
Aufgrund des oftmals hohen Umsatzanteils eines Kunden besteht für diese Agenturen ein hohes Risiko.Gerät das Kunden-Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, „erfährt“ es die Agentur meist als zweiter.
- Austauschbarkeit der Agentur: zwischen 25 und 100 %
- Nähe zum Entscheider: 0 % bis gering
- Honorar: zwischen Werkbank und Experte
Die Berater-Agentur
Die Berater-Agentur macht einige Dinge grundsätzlich anders. Dazu zählt, dass bei der Auftragsklärung immer der Entscheider eingebunden ist, um gemeinsam die wahren Probleme, Ziele und Absichten hinter der ursprünglichen Anfrage zu identifizieren*. Anfragen, bei denen dies seitens eines Entscheiders nicht gewünscht ist, wird eine Berater-Agentur ablehnen, da dies mit dem eigenen Selbstverständnis nicht vereinbar ist.
(*Mehr zum Thema ‚Mittel und Zweck‘ lesen Sie im Whitepaper New Business Bd. 1, das Sie hier kostenfrei herunterladen können).
Durch die aktive und regelmäßige Einbindung auch im weiteren Projektverlauf entsteht Nähe zum Entscheider und Klarheit auf beiden Seiten. Außerdem führt diese Art der Gesprächsführung zu Beginn der Zusammenarbeit meist zu (deutlich) umfangreicheren Aufträgen.
Als weiteren Vorteil sehe ich, dass nur eine so agierende Agentur in der Lage ist, ein wertbasiertes Honorar ins Spiel zu bringen, da dies zwingend Entscheider-Nähe voraussetzt.
- Austauschbarkeit der Agentur: erheblich geringer aufgrund wahrgenommener Beratungskompetenz durch den Entscheider
- Nähe zum Entscheider: 100 %
- Honorar: deutlich höher bis – wertbasiert – sehr hoch
Meine Einschätzung
Unverändert gilt: Je vergleichbarer die Leistung der Agentur, desto stärker entscheidet der Preis. Dieses Risiko können kleine Werbeagenturen verhältnismäßig einfach durch eine Nischen-Strategie auf Basis konstanter Grundbedürfnisse mit entsprechender Positionierung deutlich reduzieren.
Ein Wechsel in die Rolle einer Berater-Agentur ist theoretisch für viele Agenturen möglich, setzt allerdings ein komplett anderes Selbstverständnis und hohe Lernbereitschaft voraus.
Herzliche Grüße
Ihr Rainer Kratzmann